Berufliche Orientierung am Gymnasium – Erfahrungen und Chancen
In der politischen Diskussion um den Fachkräftemangel wird die Berufliche Orientierung als Aufgabe der Schule verstärkt angemahnt. Auch die Gymnasien sind in diesem Kontext mehr denn je im Blickfeld von Politik und Öffentlichkeit.
Heute hat bereits mehr als ein Drittel der jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen, die Hochschulzugangsberechtigung. Die duale Ausbildung bietet denn auch vielfältige Anschluss- und Aufstiegsperspektiven und die Chance auf Führungspositionen bis hin zur Nachfolge im Unternehmen. Steigender Beliebtheit erfreut sich das duale Studium, das Praxis im Unternehmen und Theorie an der Hochschule miteinander verzahnt.
Im gemeinsamen Webinar von SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Deutschem Philologenverband (DPhV) am 27. September 2023 wurden Beispiele guter Praxis und besondere Chancen der Berufsorientierung am Gymnasium vorgestellt.
Berufsorientierung = Entwicklungsprozess
Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des DPhV, unterstrich, dass die Berufliche Orientierung ein Bildungsziel an allen Schulformen und damit auch am Gymnasium sei. Yvonne Kohlmann bot die Unterstützung des Netzwerks SCHULEWIRTSCHAFT bei der Kooperation mit Unternehmen an, die für Praxisnähe der Berufsorientierung entscheidend ist.
Die Kernelemente der BO am Gymnasium stellte Angelika Wildgans-Lang vom Bayerischen Philologenverband heraus: Es gelte angesichts des ständigen Wandels, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, auf Herausforderungen kreativ und innovativ reagieren zu können. BO ist ein Prozess mit Entwicklungsschritten – von der Selbsterkundung über die Information bis zur Entscheidung und schließlich zur Realisierung des weiteren Wegs.
Gute Praxis am Gymnasium
Schulleiter Stefan Düll und BO-Koordinator Michael Weh gaben ein eindrucksvolles Praxisbeispiel mit dem Justus-von-Liebig-Gymnasium Neusäß. Neben den einzelnen Modulen sei dabei auch die Einbettung in das Leitbild der Schule wichtig: „Mut machen zur Entscheidung“ sei das gemeinsame Ziel. Die Schule trägt das Berufswahl-SIEGEL.
In Klasse 9 dreht sich alles ums Praktikum – und alle Schülerinnen und Schüler gaben an, von der Praxiserfahrung profitiert zu haben, auch wenn sie ihren Berufswunsch angepasst haben. In der Oberstufe stehen Kompetenztraining, Bewerbertraining, Messebesuche u.a. an, im Portfolio werden die Aktivitäten dokumentiert. Zurzeit werden verstärkt „Justus-Alumni“ als authentische Berater gewonnen.
Optionen mit Unternehmenspraxis
Das duale Studium hat sich zum Erfolgsmodell entwickelt, stellte Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Arens-Fischer heraus. 120.000 Studierende finden sich in 1.750 Studiengängen mit 57.000 Unternehmen. Schwerpunkt sind die Ingenieurs-, aber auch Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Wer diesen Weg wählt, hat sich bewusst dafür entschieden und bricht selten wieder ab. Im Lernort Betrieb wird geübt, analysiert, entwickelt oder erforscht, was in der Theorie an der Hochschule erarbeitet wurde.
Neu für viele Teilnehmende waren die Abiturientenprogramme des Handels, die Katharina Weinert, HDE, vorstellte. In nur drei Jahren lassen sich hier drei Abschlüsse machen, so dass ein junger Mensch schon bald in Verantwortung vorrücken kann. Mit 23 Jahren schon 100 Beschäftigte leiten – bei der „Führungskraft im Handel“ ist diese frühe Karriere möglich. Das Abitur ist Voraussetzung, der Abschluss ist gleichwertig zum Bachelor-Abschluss.
