Unternehmenspraktika für Lehrkräfte – was soll’s und wie klappt’s?
Dass Schülerinnen und Schüler Praktika zur Berufsorientierung machen, ist Standard. Aber auch für Lehrkräfte sind Einblicke in Unternehmen sinnvoll, sollen sie doch die Jugendlichen auf eben diese Berufs- und Arbeitswelt vorbereiten.
Eindrücke aus erster Hand und vor Ort sind wichtig, um selbst auch einen Einblick in die betriebliche Praxis und die Berufsfelder zu gewinnen. Über das Praktikum hinaus kann zudem das lokale Netzwerk zwischen Schulen und Unternehmen gestärkt werden – nach dem Praktikum spricht man auf einer anderen Vertrauensbasis. Dies wurde im Webinar der SIEGEL-Akademie zum Thema am 23. Januar deutlich.
Strukturwandel der deutschen Wirtschaft erleben
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Im Betrieb können die Lehrkräfte den Strukturwandel hautnah erleben und nachvollziehen, in welche Welt ihre Schülerinnen und Schüler hineinwachsen. Die Relevanz der Berufsorientierung zeigen sie den jungen Leuten ebenfalls, wenn sie selbst ein Praktikum machen und es nicht nur als lästige Pflichtaufgabe von den jungen Leuten einfordern. Sie können die Gelegenheit auch sehr gut nutzen, die Herausforderungen in die Betriebe hineinzubringen, vor denen sie selbst in der Schule tagtäglich stehen. Jugendliche zum Lernen motivieren – vor dieser Aufgabe stehen sowohl Ausbildungsbetriebe als auch Schulen!
„Praxis erleben, Bildung gestalten“ – Beispiel aus der Bauwirtschaft
Angela Papenburg, Vorstand der Günter Papenburg AG und Vorsitzende des Netzwerks SCHULEWIRTSCHAFT, führt seit Jahren an einem Tag im Herbst eine Lehrerweiterbildung in ihrem Bauunternehmen durch: „Praxis erleben, Bildung gestalten“. Lehrkräfte erleben die Betriebsstätten, erfahren, welche Anforderungen an Azubis bestehen, können selbst einiges testen und kommen abends zum Get-Together in entspannter Atmosphäre zusammen.
Zudem bietet die Firma Papenburg ein Praktikum von einer Woche für Lehrerinnen und Lehrer an. Am 1. Tag gibt es eine Unternehmenspräsentation und Gespräche mit Auszubildenden und Ausbildenden, am 2. Tag Einblick in Arbeitsplätze und Betriebsstätten, am 3. Tag geht es um Kompetenzentwicklung und Azubi-Projekte, am 4. Tag um Personalmanagement und am 5. Tag heißt es „Chef sein“. Insbesondere für Schulleiterinnen ist es interessant sich die Führungspositionen im Unternehmen anzuschauen. Im Anschluss erhält die Schule etwas Geld für ein Schulprojekt.
Positive Erfahrungen aus Lehrerpraktika
Mandy Rauchfuß, Leiterin der GMS Heinrich Heine in Halle, hat das Praktikum bereits mitgemacht und fand es eine großartige Bereicherung für die Schule. Die Chemielehrerin konnte anschließend ihren Schülerinnen und Schülern zeigen, was es mit der Chemie in einem Bauunternehmen auf sich hat, was zu tun ist und welchen Nutzen die Unterrichtsinhalte in der Praxis haben. Sie hatte sich vorab gefragt, ob sie wohl die Anforderungen bewältigen könne, und fühlte sich insofern genauso wie die jungen Leute vor ihrem ersten Ausbildungstag. Gerade deshalb kann sie nun den Schülerinnen und Schülern ganz anders Mut machen als zuvor. Auch die Tage im Führungsbereich hat sie genossen. Die Heinrich-Heine-Schule macht Lehrerbetriebspraktika grundsätzlich in den Ferien. Das ist in der Schulkultur ganz selbstverständlich verankert. Die Idee ist aus einem Fortbildungstag der Schule hervorgegangen.
Programm „Lehrer in die Wirtschaft“
Ein anderes Format schilderte Stephanie Schwarz: Die gelernte Lehrerin für Wirtschaft, zuständig für Berufsorientierung an ihrem Gymnasium, nimmt am Programm des bayerischen Kultusministeriums und der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft für gymnasiale Lehrkräfte teil: „Lehrer in der Wirtschaft“.
Das Motto ist „Mitarbeiten“ statt „Zuarbeiten“. Sie hat für 1 Jahr eine Stelle bei der BMW Group im Personalmarketing und entwickelt dort Angebote des Unternehmens für Schulen, die zu den Curricula passen. Sie hat schon unglaublich viel gelernt. So lief das Einstellungsverfahren von Azubis doch anders als zuvor gedacht: Ein Anschreiben zum Beispiel ist bei einem Großunternehmen wie BMW gar nicht gefragt. Stattdessen dominieren im Gespräch Fragen und Aufgaben, für die die Jugendlichen spontan eine Idee entwickeln. Dass Unternehmen in einer anderen Liga spielen als Schulen, war ein zentrales Erlebnis. Teil des Programms ist es, nach der Rückkehr in der Schule ein Projekt gemeinsam mit Unternehmen umzusetzen.
Im Unternehmen von Angela Papenburg ist dagegen ein Anschreiben nach wie vor sehr wichtig. Im Idealfall bezieht es sich auch auf die Unterlagen und stimmt mit ihnen überein, so dass ein Gesamtbild der Persönlichkeit entsteht.
Topaktuell: Künstliche Intelligenz
Auch das aktuelle Thema KI kann in einem Lehrerbetriebspraktikum aufgegriffen werden. Das Umgehen mit KI stellt sich zurzeit für Schulen wie für Unternehmen mit einer wachsenden Dynamik. Da kann es für Lehrkräfte interessant sein, sich zu orientieren, wie denn Unternehmen KI für sich nutzen und welche Rolle KI jetzt schon und in Zukunft spielen wird. Die Teilnehmenden des Webinars der Siegel-Akademie waren sehr beeindruckt.
Auf der Website www.unternehmenspraktika.de von SCHULEWIRTSCHAFT finden sich Leitfragen, gute Ideen und Beispiele sowie Checklisten zur Gestaltung.
