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Berufsorientierung im Ganztag: Chancen und Möglichkeiten

Unter diesem Motto stand die Diskussionsrunde von SCHULEWIRTSCHAFT auf der Bildungsmesse „didacta“ 2025 in Stuttgart.

Alexander Schüler von der Johann-Textor-Schule im hessischen Haiger hatte beobachtet, dass recht wenige Jugendliche nach dem Schulabschluss in eine Ausbildung wechselten. Eine Umfrage unter den Schülerinnen und Schülern der kooperativen Gesamtschule ergab, dass gerade mit dem Hauptschulabschluss viele Schülerinnen und Schüler schlicht und einfach Angst davor haben, die sichere Schule zu verlassen und in die unbekannte Welt der Ausbildung zu wechseln. Auch andere Jugendliche hatten Sorge: Wenn die Ausbildung scheitert oder sich als der falsche Weg herausstellt, ist der Platz an der weiterführenden Schule nicht mehr da und auch andere Ausbildungsplätze sind bereits besetzt.

Das Konzept der Schule Plus

Dieser Sorge entgegnete Alexander Schüler mit dem Konzept der Schule Plus. Was ist die Idee? Ganztagskurse sind die Lösung. Einmal pro Woche sind die Jugendlichen am Nachmittag im Betrieb. Über zwei Jahre können sie sich im Betrieb ausprobieren und testen. Der Ausbildungsplatz ist ihnen sicher, und diese Zeit zählt schon zur Ausbildung – ein duales Konzept.

Gestartet ist das Projekt mit drei Firmen und zehn Schülern und Schülerinnen. Heute sind es 80 Firmen und 120 Schülerinnen und Schüler. Die Zahl der Schulabgänger, die in Ausbildung gehen, hat sich seither verdreifacht. Dass Schule Plus ein Erfolgsrezept ist, liegt also auf der Hand. Nicht umsonst wurde es mehrfach ausgezeichnet, auch mit dem SCHULEWIRTSCHAFT Preis.

Stimmen aus der Wirtschaft

Was sagen die kooperierenden Unternehmen? Tobias Sohn vertrat in der Runde die Firma Loh Services GmbH & Co. KG als Leiter der gewerblich/technischen Ausbildung. Vorteil für das Unternehmen ist es, dass es die jungen Leute so schon früh kennen lernt; ein Vorstellungsgespräch ist nicht nötig. Die Betreuung der Schüler erfolgt durch die erfahrenen Auszubildenden aus dem eigenen Betrieb. Der Mehrwert lohnt sich auf jeden Fall, der Arbeitsaufwand ist überschaubar, betonte Tobias Sohn. Von 109 Auszubildenden kommen 14 aus dem Programm Schule Plus.

Angela Papenburg, Vorstand der Günter Papenburg AG und Vorsitzende SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland, unterstrich den guten Ansatz bei Praxisbezügen. Praxiserfahrungen und Praxislerntage sind in ihrem Unternehmen die Regel. Die Schülerinnen und Schüler lernen besser, wenn sie sich nicht nur umschauen, sondern auch ein Endprodukt erstellen. Der Ausbildungsplatz ist ihnen sicher, aber dennoch wird Leistung gefordert, und sie wissen, dass sich diese Leistung lohnt.

Auswirkungen auf den Schulunterricht

Die Erfahrung im Betrieb hat auch klare Auswirkungen auf den Schulunterricht. Lernen fällt leichter, wenn der Realitätsbezug ganz klar auf der Hand liegt. Die Kinder wissen dann, wofür sich das Lernen lohnt. Der Ausbildungsplatz bietet insbesondere für Hauptschülerinnen und Hauptschüler einen sicheren Lebensweg, unterstrich Alexander Schüler. Deshalb setzen sie hier ihre Priorität in der Schullaufbahn.

Praxis statt Plattformen

 Die Azubis werden gut integriert. Unternehmen sind nicht erfolgreich, wenn sie an Schulen lediglich Flyer verteilen oder sich in einer einzelnen Unterrichtsstunde vorstellen, mahnte Angela Papenburg. Wenn Betriebe zu wenig Fachkräfte haben, müssten sie sich Gedanken machen, ob ihre bisherigen Konzepte richtig seien. Auf Schulseite müsse es Ziel sein, den Unterricht so praxisnah zu gestalten, dass ein fließender Übergang zur Praxis bestehe. Ihrer Erfahrung nach ist es nicht sinnvoll, auf Messen aufzutreten oder auf Plattformen, sondern lokale Events im Unternehmen selbst zu organisieren.

„Startchancen für Schülerinnen und Schüler schaffen.“

Das war das Ziel unserer Netzwerkveranstaltung für Schulen und Großunternehmen im Großraum München am 19. März 2025.

Knapp 20 Schulvertreterinnen und -vertreter von 10 Schulen bekamen hier die Gelegenheit, sich mit den Ausbildungsverantwortlichen von fünf Großunternehmen direkt zu vernetzen. Mit dabei: BMW, die Helios Kliniken, die Deutsche Bahn, Strabag und Linde.

Schulen, Unternehmen und Berufsberatung

Organisiert wurde das Angebot in Zusammenarbeit mit dem Berufswahl-SIEGEL Bayern und dem Key Account Management der Bundesagentur für Arbeit. Auch die Berufsberatung der Agentur für Arbeit München hat fleißig unterstützt und ihre Schulen teils sogar zur Vernetzung begleitet.

Dank freundlicher Unterstützung der Agentur für Arbeit München fand die Veranstaltung im Mega-BiZ in München statt. Ein passendes, weil offenes und anregendes Setting für dieses Event.

Los ging es mit einer kurzen Einstimmung:

Schulkooperation? Was heißt das eigentlich? Dass hier die Ausgestaltung genauso individuell und bunt sein kann, wie die teilnehmenden Schulen und Unternehmen, verdeutlichten Stefanie Hilligweg (Berufswahl-SIEGEL Bayern) und Alice Braun (SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland) anhand konkreter Beispiele:

klein aber fein: die Kooperation Still GmbH und des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in Hamburg besteht seit vielen Jahren. Neben größeren Projekten zeigt ein kleines, aber feines Beispiel, was eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Schule und Unternehmen ausmacht: Wenn hier die Schüler im Unterricht fragen „Wofür lernen wir das eigentlich?“, greift Mathelehrer Jörg Aldag kurzerhand zum Hörer. Und Kooperationspartner Jan Wehlen bei der Still GmbH zögert nicht lang und sendet ein paar seiner Azubis an die Schule. Wenn die erklären, wofür sie Geometrie & Co in ihrer Ausbildung brauchen, sind auch die Schülerinnen und Schüler schnell überzeugt.

Wer es etwas umfassender ausgestalten möchte, kann sich von einer Kooperation mit einem ME-Unternehmen im P-Seminar inspirieren lassen: Nach einer Auftaktveranstaltung, bei der die Schüler sich für einen Flugkörper entscheiden, wird ein Konstrukteur an die Schule geladen, um mit den Schülern die wichtigen Eckdaten zu erarbeiten. Ein Besuch beim Unternehmen trägt dazu bei, sich das Endprodukt besser vorstellen zu können und erste Insights in die Ausbildungs- und Studieninhalte zu bekommen. Im Rahmen des P-Seminars (Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung an der gymnasialen Oberstufe in Bayern) arbeiten die Schülerinnen und Schüler ein Jahr lang mit dem Unternehmen an dem vorgegebenen Projekt. Die Ergebnisse und Erkenntnisse werden am Ende des P-Seminars den Lehrkräften und Unternehmensvertretungen vorgestellt. Win-Win: erste Skills für die Ausbildung oder das Studium werden vermittelt und potenzielle Nachwuchskräfte können sich beweisen und nachhaltig ans Unternehmen gebunden werden.

Speed-Dating

Mit der Aussicht auf solche und ähnliche Kooperationsansätze ging es dann in die Speed-Datings.

In fünf Runden konnte jede Schule mit jedem Unternehmen einmal sprechen und abklopfen: welche Schülerschaft bringen wir mit und welche Bedarfe gibt es im Unternehmen, welche gemeinsamen Aktivitäten wären denkbar und wie ist das eigentlich mit den Chancen auf ein Praktikum?

Rund anderthalb Stunden später kamen alle noch einmal zum gemeinsamen Abschluss zusammen und waren sich einig: Solche Vernetzungsveranstaltungen darf es gerne öfter geben! Und gerne auch mit weiteren, kleineren und mittelständischen Unternehmen.

Christoph Hempel, Alice Braun, Kristina Hilligweg, SIEGEL-Maskotchen SIEGmund, Stefanie Hilligweg, Yvonne Kohlmann, Eva Morf haben das Event organisiert.
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