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Entwicklungswerkstatt Digitale Berufliche Orientierung: Motivation und Reflexion der jungen Menschen wachsen spürbar

Ausgangspunkt war die Idee, jungen Menschen mit schwierigen Startbedingungen bei der Berufsorientierung zu helfen und dafür digitale Tools zu nutzen. Damit kam die J.P. Morgan Stiftung auf das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL zu und stieß natürlich auf großes Interesse. In einem gemeinsamen Prozess wurde daraus die „Entwicklungswerkstatt“ konzipiert. Über SCHULEWIRTSCHAFT ist zudem die Einbindung in regionale Netzwerke gewährleistet.

Viele Angebote, wenig Unterstützung

Die erste Recherche nach digitalen BO-Tools ergab, dass es viele Angebote gibt, aber nur wenig Umsetzungshilfen für die einzelnen Schulen. In der Entwicklungswerkstatt steht dagegen genau die einzelne Schule im Mittelpunkt – was braucht sie, welchen Bedarf hat sie? In der Entwicklungswerkstatt wird zudem nicht ein Programm von außen an die Schule herangetragen, sondern das Vorgehen gemeinsam und auf Augenhöhe erarbeitet. Letztlich begeben sich die Lehrkräfte in einen Schulentwicklungsprozess und halten auch selbst die Wirkungen und Ergebnisse nach – aktiv unterstützt von der wissenschaftlichen Begleitung durch Prof. Dr. Thorsten Bührmann und Carolin Striewisch.

Bewerben konnten sich Schulen, die über eine digitale Basis verfügen, und Lust auf einen solchen Entwicklungsprozess haben. Nach einem Kick-off Workshop in Berlin stiegen 15 Schulen mit Berufswahl-SIEGEL ins Programm ein. Die Schulen verteilen sich auf 7 Bundesländer und mehrere Schulformen, inklusive Förderschule und berufliche Schule.

Gemeinsamer Entwicklungsprozess
Auftakt zum hybriden Mentoring am Anne-Frank-Gymnasium Werne (NRW)
Kick-off Workshop mit interessierten Schulen
Unser Maskottchen darf nicht fehlen
Digitale Tools auf Berufsorientierung ummünzen

Seit September 2023 sind die beteiligten Schulen mitten im Prozess und es zeigen sich deutliche Erkenntnisse: Besonders beliebt ist z. B. die Task Card – eine digitale Pinnwand, die einfach und intuitiv zu bedienen ist. Sie dient mehreren Schulen als Portfolio für den Berufsorientierungsprozess der Jugendlichen, um die einzelnen Schritte nachzuhalten.

Gerade dies war ein großer Wunsch von Schulen. Denn erfahrungsgemäß haben die jungen Leute in Klasse 9 bei der Praktikumssuche schon nicht mehr im Kopf, was die Profilanalyse in Klasse 8 ergeben hat. Mit der Task Card geht nichts verloren, sondern ist der Prozess insgesamt präsent – für Schüler|innen wie für Lehrkräfte.

Auch die Praktikumserfahrungen können so sehr gut dokumentiert und im Unterricht von der Lehrkraft aufgegriffen werden. Dies erweist sich z.B. beim Langzeitpraktikum als wichtig, das etwa in Nordrhein-Westfalen Jugendliche absolvieren, deren Schulabschluss gefährdet ist und für die das schriftliche Festhalten eine hohe Hürde wäre.

An einer anderen Schule wird die Task Card wiederum so genutzt, dass Unternehmen ihre Angebote an die Pinnwand „heften“ können, auch Links zu Infos sind gesetzt. Dabei wird auf eine jugendnahe Sprache geachtet, die nicht über die Köpfe hinweggeht.

Podcast – Fragen und Antworten von und für Jugendliche

In einer 9. Klasse ging es um das Betriebspraktikum im nächsten Schuljahr und die Fragen der Jugendlichen dazu – was wollen sie wissen? Sie hatten andere Fragen, als der Lehrer gedacht hatte – wie telefoniere ich überhaupt, was ziehe ich an? Daraus entstand die Idee, dass die Jugendlichen Antworten auf ihre Fragen recherchieren und so zusammentragen, dass sie auch anderen zur Praktikumsvorbereitung zur Verfügung stehen. Deshalb wurde ein BO-Podcast gestartet, den zunächst die Lehrer, nun die Schüler selbst aufnehmen. Der Podcast steht inzwischen auf der Schul-Website zum Hören bereit.

Erste Ergebnisse: Pädagogischer Einsatz des Tools entscheidend

Die Evaluationen laufen zurzeit und zeigen erste Learnings:

  • Das digitale Tool muss gut eingeführt und pädagogisch begleitet werden. Dies gilt insbesondere für die Zielgruppe sozial benachteiligter junger Menschen.
  • Tools wirken, denn sie erhöhen deutlich die Motivation. Jugendliche finden Digitales per se spannender als „normalen“ Unterricht – zumal schulmüde Jugendliche, die sich oft als „abgehängt“ empfinden.
  • Gut und schnell handhabbare Tools haben eine größere Chance genutzt zu werden. Dies sollten sich Anbieter zu Herzen nehmen, auch von staatlicher Seite.

Digitale Tools erhöhen die Reflexionsbereitschaft der Jugendlichen in der Berufsorientierung. Entscheidend bleibt die Lehrkraft als Ansprechperson, die das Tool pädagogisch begleitet – und mit dem Tool wiederum mehr und bessere Möglichkeiten des Arbeitens mit den Jugendlichen hat.

Ausblick: Praxisleitfaden für alle Schulen

Wie geht es weiter? Im November 2024 treffen sich die Schulen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch in Berlin. Die Evaluationen werden bis Ende 2024 abgeschlossen.

Aus den Erfahrungen wird von November bis Februar 2025 ein Praxis-Leitfaden entwickelt, von der wissenschaftlichen Begleitung gemeinsam mit den Schulen. Geplant ist u.a. eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, um digitale Tools für die Berufsorientierung zu nutzen.

Die mitwirkenden Schulen werden zudem ihre gute Praxis in der SIEGEL-Akademie vorstellen und erörtern. Damit und mit dem Praxis-Leitfaden stehen die Erkenntnisse und Empfehlungen allen Schulen bundesweit zur Verfügung!

Allensbach-Umfrage: Große Mehrheit hält Vorbereitung für den Beruf für wichtig

Was wünschen sich die Deutschen für ihre Kinder und sehen sie diese Wünsche erfüllt? Diese Fragen hat das bekannte Institut für Demoskopie Allensbach Juli 2024 knapp 1.200 Personen im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung gestellt. Dabei zeigt sich insbesondere bei der Vorbereitung auf den Beruf noch viel Luft nach oben.

Was ist den Menschen im Blick auf Bildung besonders wichtig?

  • Zukunftsthema ist auf Platz 1 das Fachkräftethema mit 79 %, gefolgt von einem hervorragenden Bildungssystem mit 77 %. Erst danach folgen die Themen ausreichend bezahlbarer Wohnraum mit 75 %, Gesundheitssystem mit 75 % und Zuwanderung mit 73 %. Das Thema „gleiche Bildungschancen“ folgt unmittelbar (68 %). Umwelt- und Klimaschutz liegt mit 50 % nur im Mittelfeld.
  • In Ostdeutschland ist ein hervorragendes Bildungssystem sogar das Spitzenthema mit 84 %. Keinem anderen Aspekt wird in Ostdeutschland größere Bedeutung beigemessen.
  • Auch wenn der Bildung für die Zukunft hohe Bedeutung zugeschrieben wird,interessieren Bildungsthemen die große Mehrheit nur eingeschränkt. 45 % interessieren sich begrenzt für Bildungsthemen, 26 % praktisch gar nicht. Allerdings ist über die letzten 20 Jahre hinweg bei vielen, auch anderen Themen ein Interessenrückgang festzustellen – das ist nicht spezifisch bei Bildung der Fall.
  • Insgesamt halten 90 % ein gutes Bildungssystem für sehr wichtig oder wichtig für dieDemokratie in Deutschland, davon 57 % sogar für besonders wichtig. Diese Überzeugung teilen alle sozialen Schichten; allerdings betonen die höheren Sozialschichten die Bedeutung von Bildung noch deutlich stärker als die unteren Sozialschichten.
  • 80 % sind überzeugt, dass die Politik beim Thema Bildung mehr tun müsste – und dies schon seit den Umfragen 2008 (!).
Wie werden Bildung und Bildungspolitik eingeschätzt?
  • Aktuell sehen nur 49 % das Bildungssystem positiv, 2018 waren es noch 70 %, 2020 sank die Zahl schon auf 56 %. Entsprechend sehen heute 43 % das Bildungssystem kritisch gegenüber zuvor 24 %.
  • Ein gutes Bildungssystem sollte gleiche Bildungschancen für alle Kinder sichern, meinen 91 %, gut ausgebildetes Fachpersonal 81 % und eine gute Ausstattung der Bildungseinrichtungen 80 %. Danach folgen als Ziele, dass möglichst viele junge Menschen einen Schulabschluss machen, die Vermittlung von Allgemeinbildung, verpflichtende Deutschkurse für ausländische Kinder, eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben, die Erwartung, dass die Schulgebäude in einem guten Zustand sind, Lehrer sich mit moderner Technik und digitalen Medien auskennen, und es im gesamten Bundesgebiet einheitliche Standards, z.B. bei Abschlussprüfungen, gibt (70–80 %).
  • Während nur 54 % der westdeutschen Bevölkerung die Vermittlung von MINT-Kompetenzen als unabdingbare Voraussetzung für ein leistungsfähiges Bildungssystem ansehen, sind es in Ostdeutschland 70 %.
  • 62 % halten das Fördern der individuellen Begabungen von jungen Menschen für notwendig, nur 8 % gehen davon aus, dass dies im deutschen Bildungssystem umgesetzt wird.
  • 79 % halten eine gute technische und digitale Ausstattung an Schulen und Universitäten für unbedingt notwendig, nur 11 % halten Schulen und Universitäten für tatsächlich gut ausgestattet.
  • 73 % erwarten von einem guten Bildungssystem gerade auch eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben, nur 11 % haben den Eindruck, dass das deutsche Bildungssystem dies leistet.

Was muss jetzt geschehen?

  • Die überwältigende Mehrheit der Deutschen hält es für vordringlich, dass der Lehrkräftemangel behoben wird, die Schulen besser auf das Berufsleben vorbereiten, der Stundenausfall verringert und mehr Allgemeinbildung vermittelt wird.
  • Eine bessere Vorbereitung auf das Berufsleben hielten vor 20 Jahren nur 37 % für dringend erforderlich, 2012 sogar nur 26 %, aktuell aber 73 %, sprich drei Viertel der Menschen.
  • Deutlich gestiegenen Verbesserungsbedarf sieht die Bevölkerung auch bei denLeistungsstandards an den Schulen, nämlich 57 %, während es vor zehn Jahren nur 15 % waren. Damit rangiert das Thema noch unter der Berufsorientierung.

Das Berufswahl-SIEGEL unterstützt Schulen bei einer guten Hinführung der jungen Menschen in den Beruf – es sollte noch mehr Schule machen!

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