Digitale Tools für Berufsorientierung nutzen – Praktikumsberichte als Videos auf der Task Card
Bastian Arnholdt und Johannes Wellmann leiten jeweils eine Klasse mit Langzeitpraktikum an der Erich Kästner Gesamtschule in Bochum. Die Schülerinnen und Schüler besuchen dabei einen bzw. zwei Tage pro Woche einen Betrieb. Es handelt sich um Jugendliche, die sprachlich noch nicht fit sind – zum Beispiel geflüchtete junge Menschen – oder sich mit Schule schwertun und deren Schulabschluss gefährdet ist. Sie haben die Chance, in dieser Form die neunte Klasse erfolgreich abzuschließen und Anschluss in Ausbildung zu finden.
Tagesberichte zum Praktikum – leider langweilig
Zum Programm gehören Praktika im Betrieb. Diese werden durch Berichte festgehalten, die am darauffolgenden Tag in der Klasse besprochen werden. Allerdings waren diese Berichte oft recht ausdrucksarm: „Bin gekommen, habe Kartoffeln geschält, habe Feierabend gemacht“, hieß es zum Beispiel aus der Gastronomie. Weder den Lehrkräften noch den anderen Jugendlichen machte das wirklich Spaß. Auch der Spaß, den die Jugendlichen durchaus im Job hatten, war nicht sichtbar.
Neue Wege durch Videos
Im Webinar der Siegel Akademie am 21. Mai schildert Lehrer Bastian Arnholdt, wie sein Kollege und er deswegen vorgegangen sind. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass die Jugendlichen Schwierigkeiten haben, sich sprachlich auszudrücken, aber alle gerne Videos nutzen und sich in der Video-Welt der sozialen Medien zuhause fühlen. Deshalb entstand die Idee, die nichtssagenden und eher langweiligen Tagesberichte durch Fotos, Videos oder Audiodateien anzureichern – wenn nicht sogar zu ersetzen.
Technische und rechtliche Umsetzung
Die Sprachbarriere stellt sich bei Videos nicht in gleicher Weise, Jugendliche sind mit Videos aus ihrem Alltag vertraut. Dennoch mussten viele Einzelfragen geklärt werden: angefangen bei den Bildrechten, über Regelungen in den Praktikumsverträgen mit den Betrieben, bis hin zur technischen Ausstattung, QR-Codes und Lizenzen.
Die Plattform für die neuen Videoberichte läuft über TaskCard: TaskCard ist eine Online-Pinnwand. Die Idee der Erich Kästner Gesamtschule war es, diese Pinnwand als Portfolio für die Praktikumsdokumentationen zu nutzen. Jeder Jugendliche hat eine Rubrik und lädt seine Videos hoch.
Reaktionen und Erfahrungen
Die Betriebe können in die TaskCard hineinschauen. Die Lehrkräfte besprechen mit den Jugendlichen, was gefilmt werden darf und was nicht. Auch die Aufnahmen selbst werden gemeinsam reflektiert.
Ein Versuch, auch Social Media einzubeziehen, wurde gestartet – hier ist man jedoch deutlich zurückhaltender. Die Filme werden nicht öffentlich geteilt. Die Pinnwand TaskCard bleibt das zentrale Medium.
Durch die Filme nehmen die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Perspektiven ein. Sie gehen mit anderen Augen durch den Betrieb, nehmen Tätigkeiten bewusster wahr und entwickeln eigene kreative Formen der Darstellung.
Die Aufnahmen werden gezielt insbesondere für die Reflexionsphase genutzt: „Was mache ich da eigentlich? Was macht man in diesem Beruf?“ – das sind die Fragen, um die es letztlich geht. Auch im Unterricht ist es für die anderen Schülerinnen und Schüler wesentlich interessanter, kurze Filme anzuschauen als Vorträgen zuzuhören, bei denen die Aufmerksamkeit oft schon ab dem zweiten Satz erlahmt. In filmischen Darstellungen mit gutem Schnitt und Ton wirken selbst Routineaufgaben spannend. Jugendliche machen sichtbar, was sie können.
Feedback und Weiterentwicklung
In der TaskCard sind auch Kommentare möglich – man kann zum Beispiel ein Herzchen hinterlassen. Lehrer Arnholdt betont jedoch, dass das Feedback noch weiter vertieft werden müsse. Dabei können auch sprachliche Ausdrucksformen weiter eingeübt werden.
Als engagierte Lehrkräfte haben er und Kollege Johannes Wellmann weitere Pläne. Sie wollen die TaskCard auch im allgemeinen Berufsorientierungsunterricht einsetzen. Die Schülerinnen und Schüler sollen nachvollziehen, welche Berufe eigentlich dargestellt werden – etwa durch Interviews oder KI-gestützte Prompts. So werden die Jugendlichen zu Expertinnen und Experten für einen bestimmten Beruf oder ein Berufsfeld. Technische Verbesserungen sind Dauerthema, angepasste Aufgabenformate sind geplant. Außerdem soll die TaskCard in den Berufswahlpass integriert und in die Berufsfelderkundungstage eingebaut werden – eventuell auch in anderen Fächern.
Ein Modell mit Vorbildcharakter
Die Schule hat dieses Modell im Rahmen der „Entwicklungswerkstatt Digitale Berufsorientierung“ entwickelt, die von der J.P. Morgan Stiftung gefördert und im Netzwerk Berufswahl-Siegel mit 15 Schulen durchgeführt wird. Bastian Arnholdt freut sich, dass die kleine Idee der Schule nun über die SIEGEL-Akademie bundesweit auf Interesse stößt.
Carolin Striewisch, die wissenschaftliche Begleitung der Entwicklungswerkstatt, hebt am Schluss des Webinars hervor, dass junge Leute digitale Tools grundsätzlich spannend finden. Entscheidend sei jedoch die pädagogische Einbettung durch die Lehrkräfte dafür, ob und wie die Berufsorientierung vorangebracht werde – und genau das gelingt an der Erich Kästner Gesamtschule in Bochum.
